EMail 1993: Ziemlich allein

EMail funktionierte 1984 ganz gut mit dem Dreipfünder NEC Starlet samt 300 Baud-Modem. Spam gab es keinen.

1993 konnte man eigentlich damit rechnen, dass auch Mandanten mitziehen würden. Immerhin hatten Compuserve und AOL die Verbindung zum großen Internet in den Griff bekommen, und die Ferner-liefen-Anbieter drängten sich mit Gratis-Disketten in den Markt.

Ein Fachzeitschrifteninterview vom Oktober 1993 erinnert mich daran, dass das die Mandantenpost jedenfalls noch nicht Routine war. Die IT-Unternehmen hatten eine Vorstellung davon, aber fanden EMail zu riskant. Sie zogen das Fax vor.

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2002 waren dann fast alle dabei. Manche Behörden und besonders bürokratisch struktuierte Unternehmen gaben den Zugang jedoch nicht frei. Dann mussten die Mitarbeiter über Privatkonten kommunizieren. Traurig.

2011 reicht’s allmählich. Spam ist immer noch erfolgreicher als die Spamabwehr. Reply All scheint weiterhin der beliebteste Schalter zu sein. Jeder SM-Anbieter meint, er müsse auch noch ein EMailkonto anbieten.

Der Überblick geht verloren. Die eigentliche Kommunikation spielt sich anderswo ab.

Published in: on Dezember 17, 2011 at 9:25 pm  Kommentar verfassen  
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Freude des Anwalts: Kein Prozess

Zwei Dinge gefallen mir als Anwalt in den USA besonders:

1) Mandanten beim Aufbau helfen.
2) Mandanten vom Gericht fernzuhalten.

Aufbau ist das Gegenteil des Zerschlagens. Manche Kollegen, auch die auf die erste Instanz spezialisierten Litigators in meiner Kanzlei, gehen von der Maxime Ligitation is War aus, und lieben den Streit, um den Mandanten zum Sieg zu führen. Sieg ist gut, doch vor Gerichten in den USA bleibt es meist beim teuer erkauften Pyrrhussieg. Die Nerven, die Kosten, den Zeitverlust – das kann kein Urteil ersetzen. Und die Kostenerstattung gibt es beim Sieg nach der American Rule nicht. Das bestätigen auch meine Appellate Partners, die die Revision bis zum Supreme Court durchziehen: Ein richtiges Happy End gibt es auch beim Sieg nicht.

Wenn schon ein Prozess, meine ich, dann um den Prozess im US-Gericht zu blockieren. Der fuchsteufelswilde Handelsvertreter beispielsweise droht dem deutschen Hersteller, ihn vor die Jury zu zerren, ihm mit Strafschadensersatzforderungen den roten Heller zu nehmen, ihn und seine Mitarbeiter im Kreuzverhör auf die Matte zu zwingen, und die Welt über seine Straftaten in der Misshandlung seines amerikanischen Partners zu informieren. Wutschäumend setzt er eins aufs andere.

Bis wir einen Ansatz für eine negative Feststellungsklage in Deutschland finden. Die verfasst der deutsche Hausanwalt des Herstellers. Wir liefern die Strategie. Worin bestehen die Vorwürfe deliktischer Ansprüche amerikanischen Rechts, worin die behaupteten Straftaten? Wie passen die behaupteten amerikanischen Tatbestände zu den deutschen Zuständigkeitsmerkmalen?

Mit anderen Worten: Wie kann man die Wutausbrüche so verwerten, dass die in Deutschland erhobene Klage auch wirksam die später eingereichte Klage des Wahnsinnigen in den USA unzulässig werden lässt?

Klagen: grundsätzlich besser nicht. Wenn es unvermeidbar ist, dann besser in Deutschland. Die Rechtssicherheit ist höher. Die Vorhersehbarkeit der Kosten, des Beweisverfahrens, der Belastung der Parteien lässt den deutschen Prozess deutlich vorteilhafter wirken. Wer kann schon erahnen, wie eine Jury eine theatralische Darbietung des heimischen Vertreters gegen den bösen Ausländer bewerten würde? Da geht es nicht allein um Recht und Unrecht, um Tatbestandsmerkmale und Gutachter.

Wenn man sich gegen das Risiko eines US-Prozesses entscheidet und den deutschen Rechtsweg wählt, muss der deutsche Prozess nicht unbedingt bis zum bitteren Ende dauern. Merkt der Wüterich erst einmal, dass ihm der Weg zum US-Gericht versperrt ist, wird er erst wilder. Ein Prozess im Ausland macht ihm Angst. Dann resigniert er.

So wird auch ein Vergleich zu vernünftigen Konditionen machbar. Und der Weg zum Aufbau im amerikanischen Markt ist wieder frei.

Published in: on Oktober 18, 2011 at 2:54 am  Kommentar verfassen  
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Freundschaft mit Deutschland: Anwaltszulassung

Juristen gelangen kaum in den Genuss der beruflichen Freizügigkeit. Jedenfalls zwischen USA und Deutschland nicht ohne Examina und Zulassungsprüfungen.

Dafür sind sie fleißig und manchmal auch findig. Ein Amerikaner, der unbedingt in die dünn besiedelte Juristenlandschaft Deutschlands einsteigen wollte, machte gar einen Staatsvertragsverstoß Deutschlands geltend, um an sein Ziel zu gelangen. Die deutschen Hürden verletzten internationales Recht, darunter den Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und den USA.

Heute entschied der United States Trade Representative, der für Außenhandelsdispute zuständig ist, gegen die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens. Er findet gleich drei Grundlagen für die Ablehnung des Antrags, die er kurz und lesenswert im Bundesanzeiger, Federal Register, darstellt.

Wer das Amt mit Botschafts- und Kabinettsrang nicht kennt: Der USTR sitzt in Washington gegenüber vom Weißen Haus an der 17. Straße und wurde hier vorgestellt: Kochinke / Horlick, Die Behörde des Handelsbeauftragten der USA, 28 RIW 458 (Juli 1981).

Rastlos endet die Dekade

Hotelkauf, Hausverkauf, Social Media-Lösungen, Markenanträge, Branding-Strategien, Firmengründung, Handelsvertretervertragsdisput – die letzte Woche der ersten Zwanziger-Dekade schließt ohne Ruhe und mit buntgemischten Aufgaben ab.

Nur in den Schwerpunktbereichen IT- und Botschaftsrecht, die anderen Zyklen folgen, herrscht Feiertagsfriede. Einige Kollegen sieht man gar nicht.

Fristen bestimmen die Arbeit des Anwalts in den USA am Jahresende kaum. Eine Zweijahresfrist läuft zwei Jahre, nicht zwei Jahre und den Rest des Jahres bis Sylvester. Den Druck, dem Anwälte in Deutschland ausgesetzt sind, spürt man in den USA nicht.

Die Litigators der Kanzlei sind auf Überraschungen gefasst. Doch liegt das nicht an Fristen. Am Abend vor einem Feiertag werden in den USA einfach gern Klagen zugestellt. Die Kläger rechnen damit, dass die Beklagten ein paar Tage verlieren, bevor sie ihren Anwalt zur Verteidigung einschalten können. Aus der Litigation-Abteilung hört man, dass es auch dieses Jahr nicht anders lief. Aber sie sitzen schon an der Bearbeitung der neuen Fälle und sind auch am Wochenende in der Kanzlei.

Die Wirtschaftsrechtler hingegen werden über Neujahr nicht unbedingt am Schreibtisch kleben.

Published in: on Dezember 30, 2010 at 3:37 am  Kommentar verfassen  
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Blogschreiber schadenfroh

In Afrika gingen Gerüchte um, ein Anwalt sei kein zugelassener Anwalt gewesen, als er eine Botschaft in den USA vertrat. Er habe sie in Immobiliensachen auch um viel Geld betrogen. Zur Verschleierung habe er ein Unternehmen gegründet. Das habe seine Zulassung ebenfalls verloren. Neues Personal an der Botschaft habe einen Skandal aufgedeckt und der Regierung berichtet.

Der Blogschreiber recherchierte afrikanische und amerikanische Quellen. An der Geschichte ist etwas dran, merkte er. Er veröffentlichte einen Bericht, in dem er Behauptungen als Behauptungen, Vorwürfe als Vorwürfe und Verdächtigungen als Verdächtigungen bezeichnete.

Kurz darauf erhielt der Blogschreiber eine EMail, die ihn den Bericht sperren ließ: Der Verfasser bezeichnete sich als Opfer des Berichts, die Vorwürfe als Erfindungen, die Behauptungen als Ansichten eines feindlich gesinntes Stammes in Afrika, die fehlenden Zulassungen als der Öffentlichkeit unbekannt und daher nicht im öffentlichen Interesse.

Zudem sei der Blogschreiber gierig motiviert, die Botschaft gegen den EMailverfasser anzustacheln und ein eigenes Botschaftsmandat zu erhaschen.

Daher habe sich der Blogschreiber erdreist, die böswilligste Sülze abzulassen, die die zivilisierte Welt selbst auf niedrigster Stufe je erlebt hätte. Eine Anklage stimmt: Der Blogschreiber hatte das Opfer nicht um seine Stellungnahme gebeten.

Der Blogschreiber hatte eigentlich mit Kommentaren anderer Art gerechnet: Eine Krähe hacke selbst einer Ex-Krähe kein Auge aus. Er sei zu rücksichtsvoll gegenüber der verdächtigten Ex-Krähe.

Mal sehen, wer zuletzt lacht. Die Washingtoner Presse berichtet nun von der gegen das Opfer eingereichten Klage mit Forderungen in Millionenhöhe. Der Blogschreiber hält sich raus, bis das Gericht ein Urteil fällt. Dann wird der Bericht wohl entsperrt.

Published in: on November 14, 2010 at 2:24 am  Kommentar verfassen  
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Virtuelle Zweigstelle standeswidrig

Das Virtual Office – ein Büro zur zeitweisen Nutzung – ist weltweit bekannt. Praktisch ist es auch für Rechtsanwälte, die eine Zweigstelle eröffnen und die Bindung an einen langfristigen Mietvertrag ablehnen, oder die zuhause arbeiten, doch sich mit Mandanten lieber in einem Mietbüro statt an ihrer Privatanschrift besprechen.

Rechtsanwälte im US-Staat New Jersey dürfen es nach einer neuen Auslegung des dortigen Standesrechts nicht als Kanzlei nutzen. Einzelstaatliches Recht gilt für die Zulassung von Anwälten in den USA, und eine einzelstaatliche Auslegung entfaltet keine bundesweite Wirkung.

Die Entscheidung vom 25. März 2010 wird als frauen-, solo- und wettbewerbsfeindlich weithin kritisiert, so auch vom Virtual Law Practice Blog.

Published in: on April 6, 2010 at 4:40 pm  Kommentar verfassen  
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Keine Ernennungspause: Recess Appointments

Ohne ihre leitenden Beamten kommt eine US-Regierung nicht in Schwung. Rechtsanwälten fehlen die Gegenspieler in den Ministerien. Untersuchungsverfahren werden aufgehalten, und ihr Damoklesschwert schwebt womöglich unnötig über den betroffenen Mandanten.Wenn Richter vom Präsidenten ernannt, doch nicht vom Senat abgesegnet werden, kommt die Rechtspflege ins Stocken.

Die Anwaltschaft Washingtons kann deshalb froh sein, dass Präsident Obama die Senatspause um Ostern zu 15 Recess Appointments nutzt. 15 besetzte Stellen sind minimal im Vergleich zur Gesamtzahl der von ihm ernannten Beamten und Richter, die der Senat noch nicht mit dem verfassungsbestimmten Advice and Consent-Siegel versehen hat.

Obama waltet schon über ein Jahr im Amt. Sein Regierungsprogramm kann er nicht umsetzen, wenn die notwendigen Stellen – selbst die in der krisengeschüttelten Finanzaufsicht – unbesetzt sind. Die Arme der Regierung bleiben gelähmt.

Recess Appointments ärgern die Republikaner, die Obama schwächen wollen. Ihnen geht es ums politische Prinzip. Nach über 200 Jahren kann man jedoch wieder einmal die Verfassungsväter der USA bewundern, die in weiser Voraussicht den Weg aus der Lähmung bahnten, selbst wenn er nicht ideal ist und einem störrischen Senat vielleicht zu viel Macht einräumt..

Published in: on März 30, 2010 at 3:13 am  Kommentar verfassen  
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Feindesanwalt angeklagt: Vertretung von Feindstaaten

Wie man den Feindstaat legal vertritt, ist manchem ein Rätsel. Die Anklage gegen einen Anwalt, der in einem Aufwasch mit der Beschlagnahme vermutlich iranischer Institutionen in den USA eingestampft wurde, zeigt es.

Was diese Woche geschah, muss nicht sein. Wir vertreten Freund- und Feindesländer der USA seit 1946. Seit den schlechten Erfahrungen mit Hitler und seiner Propagandamaschine sind die USA vorsichtig.

Der Foreign Agents Registration Act kann auch vom Anwalt die Einholung einer Genehmigung erfordern. Nach dem Inkrafttreten des FARA, der nicht nur für die Vertreter von Feinden der USA gilt, entwickelten sich Melde- und Berichtspflichten, die jede Lobby erfassen und nicht nur ausländische Sponsoren ins Auge fassen.

Besondere Bösewichte der internationalen Szene, auch das zerbröckelte Triumvirat allen Übels, haben wie jeder Bürger der USA ein Recht auf die anwaltliche Beratung und Vertretung.

Wer jedoch meint, mit unsympathischen Staaten dick Kohle machen zu können und dabei nur das Risiko hinnehmen zu müssen, als Landesverräter geächtet zu werden, irrt. Wer so agiert, findet sich bald auf der Anklagebank wieder. Das galt für Panama; das gilt auch beim Iran.

Wie kann man also das alte Persien bei der Einziehung von 3000 Jahre alten Tontäfelchen im Zivilprozess verteidigen, wenn man befürchten muss, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen?

Die USA verbieten nicht die anwaltliche Vertretung. Sie verbieten beispielsweise durch das Schatzamt das Geschäftliche einer Vertretung. Durch entsprechende Genehmigungen wird dieses Hindernis überwunden. Das Anwaltsgeheimnis wird nicht gefährdet – wenn man von der Offenlegung des Mandatsverhältnisses absieht. Die zuständigen Ministerien respektieren es.

Wer hingegen ohne die entsprechende Erlaubnis anwaltlich auftritt, gibt später bei seiner Strafverteidigung – wenn es um den eigenen Kopf geht – womöglich Mandatsgeheimnisse preis. Ein Bärendienst!

Published in: on November 15, 2009 at 3:40 am  Kommentar verfassen  
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Rechte hintanstellen

17th & L, NW, 10 Uhr: Video von 20 Motorrädern mit Beiwagen und -zig schwarzen Secret Service-Fahrzeugen aufgenommen. Soviel Staatssicherheit, dass die Wagen selbst auf den Bürgersteigen parken müssen. Polizist: No Pictures!

Staatssicherheit gegen First Amendment. In der Situation wäre eine Debatte verfehlt. Video bei YouTube einstellen? Der Verkehr ist in alle Richtungen blockiert. Der Partner, der als Geschworener ins Gericht muss, darf das Kanzleigebäude nicht verlassen.

Vor ein paar Stunden sammelten sich Diplomaten im Hotel gegenüber. Das H der Straßen um das Hotel war schon gesperrt und öffnete sich für eine Weile erst, als die Diplomaten schließlich in Bussen die drei Blocks zum Weißen Haus verfrachtet wurden.

Bush will mal wieder eine Lektion erteilen, hört man. Vorgestern, nach dem Ausrufen des Schneenotstands, hatte er schon einmal so einen Einfall. Die Journalisten waren sauer, denn sie waren bereits im Rahmen der Evakuierung auf dem Weg aus der Stadt.

Wozu der Aufwand, wenn die Nachrichten doch nur von Schnee und Eis berichten werden? Bush ist irrelevant, und die Bürgerrechte lässt er irrelevant machen. Als erste Diener des Staates treten die Herrschaften jedenfalls nicht auf.

Nachtrag: Seine Höchstpersönlichkeit befand sich gegenüber im Mayflower Hotel, daher der Trubel. Die Referendarinnen sahen ihn in eine der beiden Staatskarossen hineinhuschen. In welchen der beiden identischen Wagen? Das verraten wir nicht.

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on Februar 15, 2007 at 10:30 am  Comments (1)  
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