Unendlich weit weg

Weit vor den Toren Washington lag eine kleine Kreuzung, von Weiden und Kühen umgeben. An eine Straße zogen die Autohändler, die für ihre Ware Riesenparkplätze auf grüner Wiese benötigen. Später wurde die andere Straße besiedelt, erst von Tankstellen, dann Läden und schließlich Bürogebäuden. 1987 folgte das FBI, das wichtige Abteilungen auslagerte.

Heute zieht das FBI in den nächsten Kreis um. Der ist so unendlich weit weg, dass man nur weiß, dass der Verkehr von dort in die Stadt katastrophal ist. Da soll es 50 Meilen Stau geben.

Wer mit dem FBI zu tun hat, bedauert die Beamten. Wenn die Phishing-Experten von Tyson’s Corner in die Hauptstadt fuhren, hatten sie es schon schwer genug. Und verfuhren sich gelegentlich. Besser werden kann es nicht, doch der Verantwortliche erklärte der Washington Post, das sei halt „Cost of Doing Business“.

Zum Glück zieht die Abteilung Spionageabwehr nicht um. Die kommt zwar auch zu spät zur Besprechung. Aber sie sagt nichts, erklärt nichts, hört nur zu. Als wenn sie nicht dabei sei. Da macht auch die Verspätung nichts.

Published in: on Oktober 25, 2006 at 9:41 pm  Kommentar verfassen  
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So naiv

Wenn man sieht, wie schnell sich das Blatt bei kleinen Dummheiten wendet und Naivität plötzlich zivilrechtlich, strafrechtlich und womöglich politisch bedeutsam wird, kann einem angst und bange werden.

Ein unverrückbares Lebenslang kann sich ein Heranwachsender nicht vorstellen. Doch das ist heute bei Industriespionage, einer „versehentlich“ eingesteckten CD mit Kontendaten und vielerlei anderem nicht mehr auszuschließen.

Der Skandal der geklauten Veteranen-Laptops, der letztlich im Sande verlief, weil die Diebe nicht einmal den Wert ihrer Beute erkannten, fällt in diese Kategorie.

Manchmal kann man nach einer Sitzung mit Vertretern von 3-Buchstaben-Ämtern nur den Kopf schütteln. Das Grab, das sich mancher Schlaue aus Doofheit schaufelt, ist abgrundtief.

Und noch tiefer, wenn Grenzen überschritten werden und jemand Spionage oder Landesverrat flüstert. Zum Glück gelangt so etwas nicht jede Woche auf den Schreibtisch. Doch oft genug, um das Schloss in der Tür zu rechtfertigen.

Published in: on Oktober 13, 2006 at 12:30 pm  Kommentar verfassen  
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Die alte Botschaft

In alten Zeiten gab es ein böses Reich, und das Wort vom Evil Empire war noch nicht gefallen.

Damals konnten Mandanten Hononare im Schuhkarton vom Chauffeur vorbeibringen lassen. Eine schriftliche Rechnung war nicht vorgeschrieben. Anruf genügte. Die Abrechnung nach Zehntelstunden stand noch in den Sternen.

Gelegentlich musste der politisch aktive Chef zum Spaziergang aufbrechen, um von Münzgeräten zu telephonieren. Mit dem FBI stand er nicht auf Kriegsfuß, doch sollten seine Freunde nicht alles wissen, bevor es im Weißen Haus oder Kongress bekannt war.

Gelegentlich luden sich die Freunde ein, um von der Kanzlei aus das Nachbargebäude zu beobachten – die Botschaft der bösen Roten.

EvilEmbassyDiese Vorgeschichte habe ich nicht miterlebt. Ich kenne sie nur aus Büchern, Zeitschriften oder der von Wein gelockerten Zunge alter Washingtoner Hasen. Und heute entdecke ich, dass dieselben Freunde aus meinem neuen Büro dasselbe Gebäude beobachten können. Um die Ecke.

Sie kommen allerdings heute eher zum Plausch über Phisher oder eine Hintergrundinformation über ehemalige Mitarbeiter vorbei, die demnächst im Kongress, einem Ministerium oder einer DreiBuchstabenBehördeWovonWirNichtsWissenWollen arbeiten werden. Die alte russische Botschaft interessiert sie nicht mehr.

Published in: on Oktober 5, 2006 at 8:03 pm  Kommentar verfassen  
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